Seit Wochenbeginn legten Gold, Anleihen und Rohöl zu, während die Aktienmärkte Verluste verbuchten. Die Unsicherheit über Handelsbeziehungen, enttäuschende Unternehmenszahlen und ein abwartendes Verhalten vor dem anstehenden FOMC-Zinsentscheid am Mittwochabend bestimmten das Geschehen. Das US-Handelsbilanzdefizit für März erreichte ein Rekordniveau, verursacht durch stark gestiegene Importe im Vorgriff auf mögliche neue Zölle.
Nachdem in der letzten Woche die Chinesen starke Verkäufer am Goldmarkt waren, treten sie in dieser Woche wieder als Käufer auf und schon geht es mit dem Goldpreis wieder nach oben auf mittlerweile 3.400Dollar je Feinunze. Das tägliche Handelsvolumen an der Shanghai Gold Exchange war im März mit 40,9 Milliarden US-Dollar fast halb so hoch wie das Handelsvolumen an der COMEX mit 90,4 Milliarden US-Dollar. Im OTC-Handel dominiert jedoch noch immer die LBMA mit 138 Mrd. US-Dollar täglichem Handelsvolumen, während es an der Shanghai Gold Exchange geringe 10,8 Mrd. US-Dollar sind.
Charttechnisch wurde der Test der Unterstützung bei 3.200 Dollar sofort wieder gekauft, was das extrem bullische Sentiment vor Augen führt. Angesichts der historischen Rallye und des stabil hohen Preises überrascht es, dass sich der Terminmarkt an der Comex bereits zu 40 % von seinem überkauften Niveau bereinigen konnte, was grundsätzlich ein sehr bullisches Indiz ist. Noch ist die Kuh nicht vom Eis und weitere Interventionen sind aktuell jederzeit möglich, wobei ein Rücksetzer auf 3.150 Dollar bis an den Aufwärtstrend durchaus denkbar erscheint. Seit dem erneuten Preisanstieg über 3.260 Dollar ist Gold zwar wieder prozyklisch Long, doch bleibt abzuwarten, ob es eine weitere Intervention am Markt geben und sich somit ein tieferes Hoch ausbilden wird.

Während der Goldmarkt derzeit hoher Volatilität ausgesetzt ist und somit ein ideales Spielfeld für Spekulanten darstellt, hält sich der Silberpreis stoisch in einer engen Handelsspanne von lediglich 1,5 Dollar. Üblicherweise weist der Silberpreis eine höhere Volatilität als Gold auf, weshalb sich Spekulanten am Silbermarkt aktuell wohl langweilen dürften. Im Gegensatz zum Goldmarkt bleibt der Terminmarkt für Silber stark überkauft. Die vier größten Händler an der Comex wurden bislang nicht dazu gezwungen, ihre Short-Positionen einzudecken, und halten weiterhin an ihrer historisch umfangreichen Shortposition von umgerechnet 72 Tagen der globalen Silberproduktion fest.
Sollte der Silberpreis in diesem Jahr jedoch über die Marke von 35 Dollar je Feinunze nach oben ausbrechen, könnten die sogenannten „BIG 4“ an der Comex gezwungen sein, ihre Shortpositionen bei steigenden Preisen glattzustellen. Dies könnte eine Aufwärtsbewegung des Silberpreises deutlich beschleunigen. Allerdings befinden wir uns momentan noch nicht in dieser Lage. Sollte der Goldmarkt korrigieren oder eine Rezession die Märkte belasten, ergibt sich aktuell ein erhebliches Korrekturpotenzial für Silber.
Starke ETF-Zuflüsse in Q1: Investoren entdecken Goldmarkt nach langem Zögern
Die neuesten Zahlen des World Gold Council zeigen, dass die Goldnachfrage im ersten Quartal ein Rekordniveau erreichte, wodurch der vierteljährliche Durchschnittspreis im ersten Quartal 2.860 Dollar je Feinunze stieg, was einem Anstieg von 38 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Ein sprunghafter Anstieg der ETF-Zuflüsse von 19 Tonnen im Vorquartal auf 226 Tonnen steckte primär hinter der starken Nachfrage. Angesichts der US-Zölle und des Handelskriegs, geopolitischer Unsicherheiten, des Einbruchs der Aktienmärkte und der Schwäche des US-Dollars begann schließlich auch die breite Masse der Investoren sehr spät auf den seit einem Jahr unbemerkt und schnell fahrenden Goldzug aufzuspringen. Normalerweise treibt die Nachfrage der Investoren den Goldpreis, doch wurden diesmal Investoren erst nach einjähriger Rallye auf den Goldmarkt aufmerksam, was es seit dem Bestehen der ETF-Produkte so noch nicht gab.
Die Nachfrage nach Barren und Münzen blieb mit 325 Tonnen auf hohem Niveau und lag damit 15 % über dem Fünfjahresdurchschnitt. Ein Großteil dieses Anstiegs geht jedoch auf das Konto Chinas, das sein zweithöchstes Quartal an Einzelhandelsinvestitionen verzeichnete.
Die Zentralbanken, die im letzten Jahr historisch hohe Käufe tätigten, kauften im ersten Quartal nur 244 Tonnen Gold. Dies war eine deutliche Verlangsamung gegenüber dem Vorquartal von 365 Tonnen, lag jedoch innerhalb der vierteljährlichen Schwankungsbreite der letzten drei Jahre.
Die Nachfrage nach Goldschmuck ging im Umfeld der Rekordpreise hingegen stark zurück auf nur 380 Tonnen und somit das niedrigste Niveau seit COVID im Jahr 2020. Im Vorquartal wurden noch 547 Tonnen nachgefragt. Auch die Rezessionssorgen dürften die Nachfrage nach Goldschmuck aktuell dämpfen.
Während die Goldnachfrage auf Rekordhöhen verharrte, sank das Gesamtangebot im ersten Quartal im Jahresvergleich um 1 % auf 1.206 Tonnen und um 7 % zum Vorquartal. Die Minenproduktion erreichte im 1. Quartal im Jahresvergleich einen Rekordwert von 856 Tonnen, doch war sie rund 11 % oder 102 Tonnen niedriger als im Vorquartal. Trotz des historisch hohen Goldpreises ging das Recycling im Jahresvergleich um 1 % zurück auf 345 Tonnen und zum Vorquartal sank es um 4 %, da die Verbraucher ihr Gold scheinbar in der Hoffnung auf höhere Preise behielten.
Ausblick
Gold-Investitionen dürften in den kommenden Jahren aufgrund der langfristigen Stagflationsrisiken mit einhergehend schwachen Aktien- und Anleihenmärkten, einer erwarteten Beschleunigung der US-Defizite und somit einer weiteren Abwertung des US-Dollars, sowie anhaltender geopolitischer Spannungen weiter an Fahrt gewinnen.
Die Schmucknachfrage dürfte weiterhin schwach sein, wogegen Käufe von Barren und Münzen stark bleiben und zunehmen dürften, insbesondere wenn geopolitische Risiken im Rahmen der Stagflation zunehmen. Die Zentralbankkäufe dürften sich auf dem Niveau der letzten drei Jahre fortsetzen.
Natürlich birgt dieser perfekte Sturm für Gold sowohl Risiken als auch Chancen. In den nächsten Jahren der Stagflation dürften es auch Phasen der weltwirtschaftlichen und politischen Erleichterung geben, was immer wieder Gewinnmitnahmen mit sich bringen wird. Der übergeordnet bullische Trend bis zum Ende der Dekade dürfte dadurch nicht berührt werden.